Ja, drei Jahre und eine Pandemie liegen zwischen unserem letzten Besuch in Kanada/Alaska und der nun bevorstehenden neuen Reise in die Wildnis Alaskas. Die Mäuler unserer Koffer sind weit geöffnet und warten darauf, dass wir sie mit unseren Utensilien füllen und dann in Zürich am 9.6.2022 aufgeben, in Richtung Anchorage. Wir freuen uns riesig auf diese gut 3 Wochen und hoffen, wenn es die Internetverbindungen erlauben, euch etwas an unseren Erlebnissen teilhaben zu können. Bis bald, Marco + Team, the Greenhorns from Niederönz....
Hallöchen, mein Name ist Malyeska, ich bin vor 12 Wochen auf die Welt gekommen und ein energiegeladenes Cocker-Spaniel-Mädchen. Ich warte nun sehnlichst auf meine neuen Herrchen. So ne Frechheit, gehen die doch 6 Wochen in die Ferien... Aber auch gut für mich, so konnte ich gross und stark werden und hatte sooooo viel Zeit, um mir Streiche zu überlegen, mit welchen ich die beiden Rückkehrer nun beschäftigen werde. Marcel und Theres glauben doch tatsächlich, dass sie in den letzten 6 Wochen viele Abenteuer erlebt haben. Das wird aber alles kein Vergleich zu dem sein, was die zwei nun von mir erwarten dürfen, wenn sie nun heute um 12.00 Uhr in Kloten landen. Bin jedenfalls bereit, um die beiden in den kommenden Tagen, Monaten und Jahre auf Trab zu halten.
Diesen Tag sind wir gemütlich angegangen. Nach einem (nach längerer Zeit ersten guten) Cappuccino haben wir die SS Klondike, einen Schaufelraddampfer, besichtigt. Die SS Klondike war der grösste Heckraddampfer auf dem Oberlauf des Yukon-Rivers. Sie wurde 1929 als Erzfrachter in Whitehorse gebaut und lief 1936 auf Grund und sank. Im darauffolgenden Winter wurde sie unter Einbezug der Originalaufbauten und Maschinen neu gebaut und lief 1937 erneut vom Stapel. Bis 1955 wurde dieser letzte Yukon-River-Heckraddampfer als Passagier- und Frachtschiff eingesetzt. Vor dem Bau der Strasse zwischen Whitehorse und Dawson City stellten die Heckraddampfer auf dem Yukon das Rückgrat des Trasportsystems dar, welches den Yukon mit der Aussenwelt verband. Denn vor dem Bau der Strassen waren die Siedlungen und Bergarbeiterlager völlig abhängig von den Schaufelraddampfern, welche die notwendigen Lebensmittel in den Yukon transportierten und die Erträge aus den Erzminen nach Whitehorse transportierten. Heute ist Whitehorse die Hauptstadt des Yukon und hat ca. 27'000 Einwohner. Das gesamte Yukon Territorium zählt insgesamt lediglich rund 38'000 Einwohner, ist aber mit 482'000 km2 grösser als die Bundesrepublik Deutschland mit 357'500 km2 (die Schweiz hat gerade mal eine Fläche von 41'285 km2 und hätte damit rund 12 Mal Platz im Yukon). So riesig sind hier die Dimensionen. Heute Nachmittag besichtigten wir dann auch noch Whitehorse sowie das älteste, mehrstöckige Blockhaus von Canada. Nun heisst es für uns die Koffer packen und zurück Richtung Heimat, vollgepackt mit vielen schönen Erinnerungen der vergangenen 6 Wochen.
Die letzten rund 180 Km von Carmarcks nach Whitehorse, welche wir heute unter die Räder nahmen, bewältigten wir ohne Probleme. Allerdings bin ich nun von der sehr langen und anstrengenden Fahrstrecke richtig auf den Felgen, denn wir haben seit dem 29. Juli bis heute, 7. August, insgesamt 2'000 Meilen oder rund 3'300 Km, wovon 1'800 Km auf Schotterstrassen, hinter uns. Kurzum: Marco braucht nun Ferien.... In Whitehorse angekommen, haben wir dann unseren Truck-Camper, die Stefani, einer richtigen Wellness-Kur unterzogen und versucht, sie sauber zu kriegen. Nur, wenn wir dachten, sie ist sauber, rann plötzlich doch wieder Sand an ihr herunter. Dempster Highway lässt grüssen. Jedenfalls konnten wir dann am frühen Nachmittag die Stefani bei Go North, dem Vermieter von Stefani, ohne jegliche Einschlagstellen von Gestein und ohne Schäden an der Windschutzscheibe zurückgeben und dann ein Hotelzimmer im Hotel Edgewater in Whitehorse beziehen. Endlich wieder saubere Kleider anziehen, was zuvor aufgrund des Staubes und Schmutzes auf den Strassen schlichtweg keinen Sinn gemacht hätte. Nun können wir uns morgen Donnerstag noch etwas erholen und Whitehorse unsicher machen, bevor wir dann unsere Heimflüge (Whitehorse-Vancouver und Vancouver-Zürich) antreten können.
Dawson City verliessen wir dann heute Morgen zurück in Richtung Whitehorse. Da wir die vergangenen Tage so viele schöne und weite Landschaften gesehen haben, sind wir nun effektiv übersätigt. Obschon auch diese Rückfahrt landschaftlich schön ist, haben wir nur noch einige wenige Fotostopps gemacht; so verwöhnt sind wir zwischenzeitlich. Damit ich nicht wieder über 540 km an einem Stück fahren muss, haben wir in Carmacks, ca. 170 km von Whitehorse entfernt, nun letztmals auf einem Campingplatz unsere Stefani platziert und diese noch etwas weiter von ihrem Innenstaub befreit. Ja, allmählich neigt sich unsere insgesamt 6-wöchige Reise dem Ende.
Heute Morgen machten wir eine Tour zu einer aktiven Goldmine, wo sich die Bagger in den Permafrost wühlen und dann ihre Ladung in Waschmaschinen schütten, wo am Ende Gold verbleiben sollte. Unglaublich, wie hier die gesamte Gegend von Kies-Schutthalden übersät ist; überall wurde und wird nach Gold gesucht. Auch wir hatten dann an dieser organisierten Tour noch die Möglichkeit, etwas nach Gold zu schürfen. Der Tourguide und Minenmitarbeiter nahm von einem Haufen der Mine je eine Schaufel voll Dreck und Gestein in je eine Waschpfanne, und wir durften dann diese Waschpfanne im nahe gelegenen Bach so lange ausspülen, bis wir hoffentlich Gold finden würden. Und tatsächlich, wir fanden am Schluss Riesennuggets! Glaube, wir müssen nicht mehr weiterarbeiten (wieder eine Übertreibung von Marco; lasst Euch nicht von dem Foto beeindrucken; es ist eher ein Staubkorn als ein Nugget). Am Nachmittag fuhren wir noch auf den Midnight Dome, den Hausberg von Dawson City, wo man über die Stadt und die gesamte Umgebung hat. Anschliessend besichtigten wir dann noch die Dedge No 4, ein riesiges Monster einer schwimmenden Goldförderanlage aus der Vergangenheit. Übrigens kostet die Registrierung eines Gold-Claims, damit man Gold schürfen kann, hier im Yukon lediglich § 10.--. Allerdings sind die anschliessenden Kosten für den Abbau des Goldes sehr hoch. Nach einer umfangreichen Kosten- Nutzenanalyse kamen wir zum Schluss, dass es sich trotz unseres riesigen Goldfundes wohl doch nicht lohnt, unter die Goldsucher zu gehen…
Am Morgen besichtigten wir nochmals Dawson City. So auch die restaurierte Cabin bzw. Blockhütte von Jack London, dem berühmten Schriftsteller (Wolfsblut etc.), welcher hier um die Jahrhundertwende des vorletzten Jahrhunderts war und verschiedene Romane rund um die damalige Goldgräberzeit verfasste.
Nun, unsere Stefani, sah nach dem Dempster Highway aus wie die schlimmste Sau; eine dicke Schicht von Schlamm hatte sich besonders an ihrem Hinterteil und unter den Radkästen angesammelt. So waren wir leider gezwungen, dieses Teil am Nachmittag vom gröbsten Schlamm zu befreien. Kaum angefangen, war dann der Schlauch, mit welchem wir unsere Stefani mit Hochdruckwasser abspritzten, defekt; dieser hatte einen Riss, so dass das Wasser nicht am Ende, sondern mehr in der Mitte rausspritzte. Muss natürlich immer dann passieren, wenn ich diese Gerätschaften benutze, dass etwas defekt geht… Nach längerem Warten auf eine Schadensbehebung verschoben wir dann die Stefani auf einen nicht weit entfernten, weiteren Reinigungsplatz. Insgesamt rund 1 ½ Stunden haben wir die Stefani mit Hochdruckwasser abgespritzt, bis sie wieder einigermassen ansehnlich war. Hinzu kam, dass auf der Fahrt auf dem Dempster die Türe zur Schlafkabine öfters etwas aufsprang, so das Staub den Innenraum vernebelte. Damit war auch eine Reinigung des Innenraumes erforderlich.
Nach der unruhigen „Wildcamper-Nacht“ mit starkem Wind und Niederschlag, fuhren wir dann heute bei zwar bedecktem, jedoch glücklicherweise nicht regnendem Himmel weiter. Die letzten rund 270 km bis nach Dawson City waren dann nur noch ein reiner Genuss. Die Strassenverhältnisse waren relativ gut und wir konnten uns nochmals von der wunderschönen Landschaft verzaubern lassen. Um 13.00 Uhr fuhren wir dann die letzten Meter auf der Schotterstrasse, dem Dempster Highway, welcher in den Klondike Highway zweigt und dort endet. Wir waren überglücklich und stolz, dass wir dieses Abenteuer nun ohne Panne gut überstanden haben, rund 1‘800 km auf Schotterstrasse (900 km Hinfahrt zum Polarmeer nach Tuktoyaktuk und wieder retour nach Dawson City) und dies durch einmalige Landschaften, völlig unberührte Natur, so weit das Auge reicht, bis eben auf diese Schotterstrasse, welche sich durch die endlose Weite des Yukon und der Northwest Territories zieht. Auf dem Campingplatz angekommen, wurden wir dann von anderen angesprochen, ob wir den Dempster gefahren sind, und wie denn die Strassenverhältnisse waren und wie schnell (meine Bemerkung: teils sehr langsam, manchmal nur 10 km/h) wir fahren konnten. Ja, nun wissen wir, was die armen Kerle erwartet, welche diese Strasse unter die Räder nehmen wollen. Und dann gibt es noch die ganz Verrückten, die dies per Motorrad oder gar Fahrrad machen. Wie oft verfluchen wohl die Radfahrer diesen Entscheid, so etwas zu machen, wenn sie so in der Mitte sind, im Schotterbett mit ihren Rädern fast versinken, mit sehr starken Windböen zu kämpfen haben, und dann auch noch durch den aufgewirbelten Staub eines vorbeibrausenden Trucks oder Campers eingestaubt werden?
Übrigens hat sich die Landschaft des Dempster Highway seit unserer Hinfahrt vor nur wenigen Tagen bereits auffällig geändert. Nun sind die Blätter einiger Bäume bereits gelb gefärbt; der Herbst hat hier soeben begonnen. Auch als wir gestern in Eagle Plains noch die Wettervorhersagen studierten, waren wir etwas erstaunt, dass es am kommenden Donnerstag (heute haben wir - so glaube ich - Samstag) bei -1 °Celsius schneien wird. Wie gut, haben wir nun diese Fahrt sicher beenden können.
Heute Morgen haben wir noch etwas Inuvik besichtigt und wiederum unsere Stefani vollgetankt, bevor wir die erste von zwei Tagesetappen zurück nach Dawson City in Angriff nahmen. Die ersten rund 180 km waren (wie bei der Hinfahrt die letzten 180 km) etwas monoton; eine nicht enden wollende, grösstenteils gerade Schotterpiste durch magere Wälder. Danach, nach der zweiten Fährüberfahrt in Fort McPherson, änderte sich die Landschaft wiederum schlagartig und wir wurden erneut durch die vielfältige, nicht zu beschreibende Schönheit von Hochebenen, Bergen, Tälern und Flüssen überwältigt. Je näher wir jedoch zu Eagle Plains kamen, desto schlechter wurde das Wetter, und es begann zu regnen. Es gibt zwei Möglichkeiten, um den Dempster Highway zu befahren. Entweder es ist schönes Wetter, dafür ist die Schotterstrasse in der Regel trocken und man hat unter der entsprechenden Staubentwicklung zu leiden. Oder aber es regnet, und die Strasse wird sehr glitschig und gefährlich. Da es nur sehr mässig regnete, kamen wir dann ohne Probleme in Eagle Plains an, wo wir im Restaurant unser Abendessen zu uns nahmen. Als wir danach jedoch die Wettervorhersage für den kommenden Tag sahen, war ich alles andere als glücklich; starke Niederschläge waren angesagt, und damit das Risiko gross, dass wir auf einer Schlammpiste 370 km fahren mussten. So haben wir uns dann (um 19.15 Uhr Ortszeit) entschieden, noch so weit wie möglich bei relativ wenig Niederschlag weiterzufahren. Nach dem noch obligaten Tankstopp machten wir uns somit erneut auf den Weg und sahen nochmals das nicht gerade beruhigende Schild „no Service next 370 km“. Bereits kurze Zeit danach viel mir auf, dass wir überhaupt keine Fahrzeuge mehr sahen, was mich etwas beunruhigte; war mein Entscheid, weiter zu fahren, wirklich der richtige, oder wussten die anderen Fahrer etwa, dass man die Strasse am Abend und in der Nacht nicht befahren sollte??? Was soll’s, dachte ich mir, den Weg müssen wir ja ohnehin so oder so entweder heute oder dann am kommenden Tag bei allenfalls viel schlechteren Bedingungen weiterfahren. Diese Zweifel wurden jedoch bald vergessen, als Theres plötzlich rief „dört isch es Tier“, dieses Tier erwies sich als eine Elchkuh, welche sehr nahe am Strassenrand zwischen den Bäumen war. Wir hielten an und so konnte diese Elchkuh – dummerweise war sie auf meiner Seite des Autos – fotografieren, während ich versuchte, das Auto auf der Strasse zu halten (war nicht so schlau, aber hat ja geklappt, der Italiener hat wieder gesiegt); so toll. Wären wir heute nicht noch von Eagle Plains weiter gefahren, hätten wir diese schöne Erfahrung nicht machen können. So fuhren wir noch etwas mehr als 2 Stunden weiter, und wählten dann eine „Rest Area“ zu unserem Campingplatz für die kommende Nacht. Zwar ist Wildcampen eigentlich nicht zugelassen, wird aber toleriert (wer sollte uns auch kontrollieren, wenn ca. je 200 km von uns entfernt nichts war. So waren wir beiden Greenhorns aus Switzerland die einzigen auf einem grossen Platz, um dort zu übernachten. War schon ein etwas komisches Gefühl. Zu allem Übel begann es dann auch noch stark zu winden und unsere Stefani wankte entsprechend. Auch das war für mich alles andere als beruhigend, zumal ich auch noch dieses Geschwanke in einen Traum integrierte und träumte, dass ich in einem Auto an einem völlig anderen Ort aufwachte, da das Auto fortgetrieben wurde…. Jedenfalls überstanden wir auch diese Nacht, machten so eine weitere neue Erfahrung, und fuhren am frühen nächsten Morgen weiter.
Das war heute vielleicht ein mühsamer Tag. Die Strecke von 144 km, welche wir heute von Inuvik nach Tuktoyaktuk und wieder retour fuhren, hatte es wirklich in sich. Nicht nur, dass die Strasse extrem staubig war und jedes Fahrzeug, welches wir kreuzten, eine riesige Staubwolke hinter sich liess. Nein, aufgrund des ständig auf- und abtauenden Permafrostes unter der Fahrbahn hatte die Strasse teilweise auch grauenhafte Querrillen. So fühlten wir uns in unserer Stefani häufig wie in einem Schüttelbecher oder Eier, aus welchen Rühreier geschlagen werden. Diese Rillen in der Fahrbahn bilden sich infolge des Permafrostes, obschon die „Fahrbahn“, wie die gesamte Strecke des Dempster Highways von insgesamt 900 km, auf einem rund 1,8 Meter dicken Kiesbett liegt, um dadurch ein Absinken des Permafrostes und damit auch der Strasse zu verhindern. Die Strasse zwischen Inuvik und Tuktoyaktuk ist neu und bildet eine Verlängerung des Dempster Highways. Sie wurde im Jahr 2018 fertig erstellt, und deren Planung begann bereits in den 1960er Jahren. Bis im Jahr 2018 war dieses Teilstück von Inuvik nach Tuktoyaktuk nur im Winter als Eisstrasse befahrbar, und nun ganzjährig. Ich denke, der Aufwand zum Unterhalt dieser Strasse, welche ganzjährig befahrbar ist, muss enorm sein. Denn ständig kreuzten uns Trucks, welche mit Kies beladen waren, um diesen Kies dann wieder auf der Fahrbahn zu verteilen und die Piste in Stand zu halten. Die Strecke war dann wieder landschaftlich völlig anders, als die letzten 180 km vor Inuvik. Tundra und vereinzelte Stellen mit kleinen Bäumen, welche sich gegen die klimatischen Widrigkeiten durchzusetzen versuchen, sowie unzählige kleinere und mittelgrosse Seen sowie Büsche und Blumen. Nach etwa 4 Stunden kamen wir dann an unserem grossen Ziel, Tuktoyaktuk, am Polarmeer an. Der Empfang war nicht gerade freundlich, aber offenbar hier oben üblich; es windete enorm stark und man hörte den Wind richtig rauschen. Auch die Türen zum Auto liessen sich aufgrund des Windes nur schwer öffnen. Nachdem wir dann Tuktoyaktuk etwas besichtigt hatten, hiess es – wie für den Rest unserer Reise – den selben Weg, den wir gekommen sind, retour zu fahren. Nun sind wir wieder in Inuvik, womit unsere lange, sehr lange Heimreise begonnen hat, nochmals etwa 1‘300 km mit dem Truck Camper nach Whitehorse, dann Flug nach Vancouver und retour in die Schweiz.
Marco's Milepost